Aufbrechen


Mein Mann ist Jäger. Wenn er ein Rehwild er legt hat, muss er es sofort aufbrechen, sonst verdirbt das Fleisch. Ich war noch
nicht dabei, wenn er dieser unsauberen Arbeit nachgegangen ist. Schon gar nicht will ich es mir vorstellen. Und doch bin ich
gefangen in diesem Bild: Aufbrechen.
Wenn ich aufbrechen muss aus Vertrautem, bin ich da nicht mitunter wie ein geschossenes Reh? Die Kugel aus des Jägers
Büchse streckt das Tier nieder. Das Neue, das Unbekannte, welchem ich mich stellen muss, trifft es mich nicht manchmal
wie eine tödliche Kugel?
Wann, wann nur kann ich mich überwinden und den ersten Schritt tun? Ach, ich kann so schlecht aus meiner Haut.
„Du rennst noch ins Verderben, wenn du so weiter machst!“ höre ich aus weiter Ferne die Stimme meiner Mutter.
Wird das Reh nicht aufgebrochen, verdirbt das Fleisch.
Also muss auch ich endlich aufbrechen. Könnt ich doch sonst verderben. Wer will das schon? Ich nicht!
Da lasse ich ihn lieber zu, den scharfen Schnitt mit dem Aufbruchmesser, der die Hülle sprengt, die mich gefangen hält und mein Innerstes nach außen kehrt.

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